Donnerstag, 23. Juni 2011
Projektionen der Gesellschaft...
Tag 147: Kann man sich selbst weniger wert sein, wegen der eigenen Schulbildung? Sicher kann man, aber wahrscheinlich ist das gar nicht das Ausschlaggebende, sondern doch eher die Reaktion, die die Eltern einem geben. Eltern, die ihren Kindern immer das Gefühl geben dumm zu sein, bekommen auch dumme Kinder, weil die Kinder es glauben.
Ich habe versucht vor meinem Vater anzugeben, dass mein Abitur doppelt so gut sei, wie das meiner Schwester, worauf er geantwortet hat: „Du bist ja auch doppelt so alt!“ Autsch!
Mein Vater ist nicht besonders gut daran, Lob und Anerkennung zu verteilen, womöglich, weil er selber wenig davon bekommen hat, vielleicht aber auch, weil er glaubt, dass es den Ehrgeiz ansporne, was es bei mir jedenfalls getan hat.
Das nützt nur leider nichts, wenn man ein Gedankenmuster von „ich bin nicht gut genug“ hat, denn dann wird man immer, egal wie gut man ist, nicht gut genug sein.
Wie gut also, dass die Gesellschaft projiziert. Wie gut, dass die Gesellschaft nicht prüft wer jemand ist und was er kann, sondern sich von Worten und Titeln blenden lässt. Das fängt ganz unten an und hört ganz oben auf. Ich komme mir ein bisschen vor wie ein Schwindler, weil ich zu einem Medizinstudium zugelassen werde, obwohl ich Leute kenne, die weitaus besser als ich dazu geeignet wären. Ich kenne mich nur aus mit Gesundheit, nicht aber mit Krankheit!
Ob man zu einem Medizinstudium geeignet ist, entscheidet aber heutzutage einfach nur der Abischnitt. Der Medizinertest ist fast überall abgeschafft worden und ich muss mit Verlaub sagen: Glaubt ihr wirklich, dass jemand der sein Abi in Deutsch, Englisch, Philosophie und Mathe gemacht hat automatisch geeignet ist für ein Medizinstudium?
Nun, so sind die Regeln und von da an geht das Spielchen los:
Medizin und Medizinstudent klingen besonders in den Ohren der Gesellschaft. Die assoziieren Klugkeit und Doktortitel damit, sowie viel Geld und Allwissenheit und so bekommt man dann Vorschusslorbeeren. Allein schon von der Uni, die Unmengen an Bafög bewilligt, von dem nur ¼ zurück gezahlt werden muss, weil schon die Uni davon ausgeht, dass jemand der Medizin studiert in Zukunft sehr viel Geld verdienen wird.
Nun, und da das alle denken, fange sogar ich an es zu denken. Mein Selbstwert steigt, je näher ich dem Studium komme und je mehr ich erfahre, was andere Leute mit dem Begriff „Medizinstudium“ in Verbindung bringen. Ich freue mich über die Projektionen, die andere Leute haben, was im Endeffekt ja sowieso die Hauptmotivation für dieses Studium ist. Einer Schauspielerin glaubt man ja nicht, wenn sie erzählt, dass Rohkost in vielerlei Hinsicht wohltuend für den Körper ist. Man glaubt ihr auch nicht, selbst wenn sie nie krank ist, dass Rohkost gesund ist und auch nicht, wenn sowieso jeder weiß, dass Obst und Gemüse gesund ist.
Es ist tragisch. Ich kann diese Gesellschaft nicht leiden. Aber dann muss man sie halt von innen revolutionieren. Das System infiltrieren und nachdem ich jetzt bald im Besitz eines Zettels bin auf welchem steht: Abiturnote 1,2 ist für all diese Projektionen gesorgt! Zwei Ziffern und ein Komma – mehr nicht und meine Aussage darüber, dass ich Medizin studieren will, erweckt bei den Leuten Projektionen darüber, dass ich sehr klug sein muss und bald sehr viel Geld verdienen werde.
Besser für mich, ich glaube das auch!
PS: Ich glaube sogar, mein Vater glaubt es, sonst hätte er niemals die Bürgschaft unterschrieben…
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